Montag, 11. August 2014

Oh PARASOLe mio!

Von Null auf Sonnenschirm in unter 2 Monaten.

Es begab sich also, vor nicht all zu langer Zeit, dass sich eine Kundin an mich wandte ob ich ihr einen Sonnenschirm um 1800nochwas restaurieren könne.
In ihrem Falle ein süßes kleines Knickschirmchen, das eine gebrochene Speiche und eine sehr, sehr malade Bespannung hatte.
Ich hatte so etwas noch nie getan.
Ein Fakt der, meiner Meinung nach, der beste Grund ist etwas auszuprobieren.

Also ließ ich mir das Schirmchen und die Seide für eine neue Bespannung schicken und machte mich ans Werk.

Ich war sofort fasziniert von der simplen aber nachhaltigen Technik, mit der diese Schirme gebaut wurden. Alles so einfach aber doch wohl strukturiert und eben aus guten Materialien, so dass sie, offensichtlich, eine überlebenslange Garantie haben.

Ich machte mich an die Restauration und mit ein wenig Tüftelei und "um die Ecke denken" war der Schirm schnell repariert, neu bespannt und wieder bei der Besitzerin, welche ihn direkt im Netz zur schau stellte...

Kaum wurde publik, dass ich so etwas kann / mache, rieselten neue Aufträge in mein Postfach und innerhalb kürzester Zeit hatte ich hier 6 Schirme zum Restaurieren liegen.
Man könnte ja jetzt sagen "Kennste einen, kennste alle". Aber so war es nicht. Klar, die Basis war immer gleich, bzw. ähnlich.  Aber es gab immer wieder neue Ansätze, neue Problemlösungen für Gelenke, Scharniere, Speichen.... Mal ganz abgesehen von den detailreichen Verzierungen.

Mehr aus Scherz sagte ich irgendwann zu einer Bekannten, dass ich inzwischen so viele Schirmmodelle in Händen gehabt hätte, dass ich die Dinger nun auch locker selber bauen könnte....

Wie so etwas nun mal ist... einmal ausgesprochen wird man es nicht mehr los. Die Idee manifestierte sich in meinem Kopf. Während der verschiedenen Restaurationen hatte ich begonnen ein Bilderarchiv anzulegen, auf das ich zurück greifen konnte und mir zur Not gewisse Stellen nochmal genau ansehen konnte.

Es gab kein Halten mehr.

Hier nun also, in Retrospekt, die Entstehung eines selbstgebauten Knickschirmes, grob Richtung Biedermeier:
(wobei ich hier nochmal klar herausarbeiten möchte das zwar Wert darauf gelegt wurde eine möglichst authentische Optik zu generieren, nicht jedoch authentisch zu arbeiten oder authentische Materialien zu benutzen.)

Zutaten:
2 gedrechselte Stäbe
8 Hölzer 4x4mm
   Seide
2 Messingnägel
1 Schlagöse
1 Sturmfeuerzeug
2 LAMY Logo Kugelschreiber
1 ca 1960er Stockschirm
   Blumendraht
   Klaviersaite (mittlere Stärke alles um Kammerton A geht)
Zange, Bohrer, Lötkolben, Seitenschneider, Hammer, Dremel mit Trennscheibenaufsatz, Holzbrett, Nägel, Backofen..... Pflaster!

Da es mir oft schwer fällt solche Projekte aus Spaß an der Freude oder gar für mich selbst zu beginnen, (wozu brauche ich auch so einen Schirm?) habe ich beschlossen ihn für eine Freundin zu machen. Daher habe ich mir die Seide von ihr geben lassen und hatte sie schon länger hier gebunkert, da eigentlich geplant war auf Ebay einen echt alten Schirm zu erlegen und diesen zu restaurieren.

Auf Ebay herrschte jedoch in letzter Zeit Ebbe wenn es um schicke (günstige) Schirmchen ging.

Was ich jedoch auf Ebay gefunden habe war ein Herr, der auf Zuruf Dinge drechselt.
Immer gut!
Und das ist nun auch zugegebenermaßen das eine, wichtige, Teil das ich nicht selbst gemacht habe. Alles, was ich tat, war einen Entwurf zu machen und die Bemaßungen an den Drechsler zu schicken und der Dinge zu harren die da in meine Richtung kommen würden.
Auf dem Photo sieht man dazu noch 2 der 8 Holzstäbe die ich aus Modellbauleisten auf Länge gesägt habe.
Aber von Anfang an:

Die Idee hatte sich in meinem Kopf manifestiert und Dank der kleinen Photodatenbank hatte ich einen relativ guten Plan.
Der Auftrag an den Drechsler war abgesetzt und die Stäbe geliefert. es war also an der Zeit zu beginnen.

Ich wusste, dass man Holz unter Einwirkung von Wasserdampf biegen kann, so dass es die Form in erkaltetem Zustand behält.
Also, Schablone bauen, ein Holzbrett nehmen, die wichtigen Punkte mit Nägeln markieren, die zugesägten Holzstäbe anfeuchten und einspannen und die Konstruktion einige Minuten in den Backofen schmeißen. Bei 200°C bis alles goldbraun ist. Ab und zu mit ein wenig Wasser übergießen.
Klappt!
Ich war ehrlich erstaunt, dass diese "Notlösung" tatsächlich funktionieren würde, aber die Stäbe hielten tatsächlich die Form. (und tun dies noch immer)

Das ganze schnell lackiert und das Schlimmste liegt hinter mir.

Dachte ich.....

Das Schlimmste war das Tüfteln und Auswege finden. Viele der Teile, die man benötigt, werden schlicht und ergreifend nicht mehr hergestellt bzw. sind als Einzelteile nicht im Handel erhältlich.
Man kann sie zwar gesondert anfertigen lassen, jedoch für ein solches "Spaßprojekt" wäre das ein wenig zu kostenintensiv geworden.
Ergo, Notlösungen und Abkürzungen.

Nun gut, weiter im Text!
Nachdem wir nun alle Holzteile beisammen, und in die richtige Form gebracht hatten, hieß es nun nur das alles zu verbinden.
Begonnen habe ich damit die beiden gedrechselten Stäbe mit einem Knickgelenk zu verbinden.

So ein Knickgelenk muss man aber erst einmal haben. Ich habe tatsächlich ein paar Tage grübeln müssen bevor mir die Idee mit dem Feuerzeug kam.
Ziel des Spiels war es ja irgendwie günstig und kreativ zu arbeiten.
Also hab ich meine Wohnung durchwühlt nach passenden Gegenständen die ich umfunktionieren könnte.
Irgendwann fand ich ganz hinten in einer Schublade das alte Feuerzeug, das nie richtig Funktioniert hatte.
Also schnell auseinander gebaut, gemessen ob die Materialstärke passt, Form angezeichnet und tschakka!
Ein wenig Kanten abschleifen und Bohrungen setzen und ich konnte das Knickgelenk mit den Messingnägeln fixieren


Auf dem rechten Photo sieht man schon die nächste Problemlösung. Damit der Schirm nicht immer wieder im Gelenk einknickt, muss dieses natürlich stabilisiert werden. Das geht am besten mit einer Manschette.
Beim Berechnen der Maße hatte ich nicht daran gedacht mich ggf. an den Standardinnendurchmesser für Metallrohre zu halten, so dass die Sucherei begann nach metallischen rohrähnlichen Gegenständen, die vielleicht einen ansatzweise ähnlichen Durchmesser haben.
Gelandet bin ich bei LAMY Kugelschreibern.
2 mal bitte, einmal für die Manschette und einmal um den Kronenkranz zu fixieren.... (dazu gleich mehr)
Zum Nitnehmen, ohne Mayo.

Jetztatle... der Stab steht... so zu sagen....
Nun fehlt das Schirmige am  Stock.....
Für die Metallstreben, die die Speichen halten, hatte ich mir den einfachen Ausweg gesucht und wollte diese von einem existenten Stockschirm nehmen. Natürlich waren die zu lang. und natürlich waren die aus Edelstahl, der sich nicht mit einer Zange durchknipsen ließ....
Damit hatte sich der einfache Ausweg als tierischer Umweg herausgestellt. Allerdings war ich mir auch nicht sicher, was ich sonst als kostengünstige Alternative hätte nehmen können. Also hab ich mir den Dremel gegriffen und das ganze auf Maß gelflext und, da selbst mein Bohrer das Material nicht packte, auch die Löcher noch ausgeflext, an denen ich später die Speichen befestigen wollte.

Was auch klar war: die Krone ,an der die Streben vorher befestigt waren, war natürlich zu groß für meinen Schirm und ausserdem waren es 10 und nicht 8 Speichen ,,wäre also eh nicht hingekommen.
Ein Fakt der zu einem kleine Louis des Funes Ausbruch führte.

Die Krone musste ich komplett selber bauen, und daher fällt sie eher unter die Rubrik "nicht schön, aber selten!"
Sie besteht aus einem weiteren (zersägten) LAMY Kugelschreiber einer Schlagöse und ein wenig Blumendraht.
Alles nett verlötet.
... Bissi Rüschen drum.....
Der Blumendraht hält, wie auf dem Bild gut sichtbar, die Metallstreben. Die Öse ist an den Seiten eingekerbt (Flex sei dank!) damit sich die Streben frei senkrecht bewegen können.  Am unteren Teil ist die Manschette eingeschnitten, um die Krone auf einer Nase im Stab einrasten lassen zu können....

Es nimmt Formen an!

Ok kleiner Zwischenstannd, wo sind wir jetzt?
Wir haben:
2 verbundene Stäbe
1 Krone mit Manschette und Stäben
8 gebogene Hölzer
und in der Peripherie noch nen Sack voll Seide....

Nun gehts daran die Dinger an einander zu fummeln.
erstmal die Speichen an die Streben....

Total simpel! Fast genau so einfach wie aus einem Kilo Mett wieder ein halbes Schwein zu machen!

Nein im Ernst, das ging wirklich ganz gut. mit einem Berg Blumendraht weil die Originalversion (eine Metallmanschette) nicht zu bekommen war.
Die Speichen hatte ich nach dem Formen schon mit 3 Bohrlöchern versehen, 2 jeweils an den Enden und 1 in der Mitte.

Nach dem Sortieren der Speichen, die ich inzwischen liebevoll "der Octopus" nannte, wurde die Manschette / Krone auf den Stab gefädelt. Der obere Teil des Stabes bekam eine Bohrung und die oberen Enden der Speichen wurden auf Draht gefädelt, welcher dann an dem Stab fixiert wurde.
Quasi alles in einer fließenden Bewegung.

Nu sah es ja schon ziemlich nach Schirm aus.
Es fehlt jedoch noch die Nase, mit der man die Krone einrasten lassen kann.
Dazu habe ich am Stab die Position markiert und einen Schlitz eingefräst. Aus einem Stück Klaviersaite habe ich eine Nase gebogen die leicht federt.
Darum musste es auch ein stabilerer Draht sein als der Blumendraht, damit er die Form hält und federt anstatt zu verbiegen.

Kaum zu glauben aber der Corpus war nun eigentlich fertig.
Alles was jetzt fehlte war ein Probeteil für die Bespannung und dann die eigentliche Bespannnung aus Seide.

Problem hier ist nur, die Bespannung musste mehr oder weniger aus dem Nichts entstehen da die Speichen allein nicht auf gleichen Abständen bleiben und ich keine "Ur" Bespannung hatte auf die ich mich beziehen konnte.

Zum Glück hatte ich aber etwas anderes, auf das ich mich beziehen konnte, und zwar das Probeteil für den Schirm von dem ich die Maße abgenommen hatte.
Wenn das mal nichts ist!
Hach, ich bin so ein pfiffiges Kerlchen!
Es passte nicht ganz genau, war aber ein sehr guter Richtwert.


Aus diesem fertigen Probeteil habe ich, mehr oder weniger, rückwärts gearbeitet und einen Schnitt / eine Schablone erstellt, mit der ich dann die einzelnen Bespannungsfelder aus der Seide schneiden konnte.
Ja, mir war mulmig.




Ich gebe ja auch zu, ich bin eine Niete wenn es um Nahtzugaben geht. Ich mache immer viel zu schmale Nähte, selbst wenn ich genau weiß das ich 1-1,5cm Platz hätte.

Gerade bei so kleinen Sachen fällt das natürlich extrem auf.
Bei den Nähten hab ich diesmal aufgepasst, aber für den unteren Saum hab ich mir lieber ein wenig Spiel gelassen.
Nachdem die Bespannung gut lag und auch mit dein Speichen vernäht war konnte ich den Überstand abschneiden und säumen. Quasi alles auf Pass schneiden, meinen Freund den Rollsaum dran und alles wird gut.
Oder auch:
FERTSCH!











4 Kommentare:

  1. Es gibt glaub nix, was Du nicht kannst!

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  2. Du bist einfach genial! Es war/ist wirklich spannend der Konstruktion zu folgen - und zu staunen ;)

    Sabine

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  3. Hallo,
    das Thema ist schon etwas älter, aber kannst Du mir mit dem Namen des Drechslers weiterhelfen?
    Danke im voraus
    Janine (a) netcologne punkt de

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    1. sorry das ich jetzt erst antworte, habe den kommentar nicht gesehen, den namen hab ich leider nicht mehr aber wenn man auf ebay nach gedrechselten stäben sucht (harry potter) findet man ihn. glaub ich

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